Osteosurvey
Hintergrund und Ziele
Im Juni 2016 hat das Schweizer Parlament das Bundesgesetz über die Gesundheitsberufe (GesBG) verabschiedet, in dem die Osteopathie als Beruf der Erstversorgung im Gesundheitsbereich anerkannt wird. Zukünftige Gesundheitsversorger sind in staatlich finanzierten Hochschulen für Angewandte Wissenschaften auszubilden, um einen Master of Science-Abschluss zu erhalten. Osteopathen sind daher als Erstversorger ausgebildet, welche in der Lage sind Krankheitsbilder zu untersuchen, zu erkennen und eine Triage durchzuführen, sowie funktionelle Störungen zu behandeln und zu fördern. Wenig ist jedoch bekannt über die Rolle, die dieser neue Beruf in unserem Gesundheitssystem spielen könnte und wie umfassend die osteopathischen Leistungen sind.
Die Swiss Osteopathy Science Foundation hat daher ein Projekt zur Erforschung der Art und des Umfangs der osteopathischen Arbeit in der Schweiz lanciert. Dieser Bericht enthält die Ergebnisse der gross angelegten Studie über die osteopathische Gesundheitsversorgung der Schweizer Bevölkerung im Jahr 2016.
Die gesammelten Daten sollen helfen, das Berufsbild zu definieren, Prioritäten in der Aus- und Weiterbildung zu identifizieren, Behandlungsstandards zu formulieren, Vergleichswerte für künftige Verbesserungen zu bieten, Forschungsschwerpunkte zu identifizieren und fundierte Daten für Interessensgruppen und Entscheidungsträger zu bieten.
Methodik und Design
Es handelte sich um eine Umfrage mittels Fragbogen von Osteopathen und um eine Prüfung der retrospektiven Beschreibung von Patientenakten. Alle Osteopathen, welche beim Nationalen Register der Gesundheitsberufe (NAREG) registriert waren, wurden kontaktiert, um an der Umfrage teilzunehmen (n=1086). Osteopathische Assistenten (n=84) wurden durch die Berufsverbände SVOA-FSOA und SVO-FSO sowie ihre Supervisoren kontaktiert.
Eine Onlineumfrage wurde entwickelt und durchgeführt, um das Berufsbild und die Arbeitsumstände der Osteopathen und ihrer Patienten zu beschreiben. Jeder teilnehmende Osteopath wurde gebeten, vier zufällig ausgewählte Patienten aus dem Jahre 2016 auszuwählen und anonymisierte, nicht personenbezogene Daten aus ihren Akten zu entnehmen.
Hauptergebnisse
Die Antwortquote der Umfrage war 44.5% (521/1170), mit 1‘144 erhaltenen Datensätzen aus Patientenakten aus über 3'449 Konsultationen. Im Jahr 2016 haben Osteopathen zur Gesundheit der Nation beigetragen, indem sie rund 1'700'000 Konsultationen für schätzungsweise 550'000 Menschen mit Gesamtkosten von 200 Millionen Franken durchgeführt haben. Dies entspricht 6.8% der Schweizerischen Gesamtbevölkerung (8.3 Millionen) und 2% aller Kosten für muskuloskeletale Erkrankungen.
a Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde nur die männliche Form verwendet. Gemeint sind immer weibliche und männliche Vertreter.
Fast die Hälfte aller Osteopathen praktizieren ausschliesslich alleine (46%) und nur wenige arbeiten in einem Krankenhaus (1,5%). Die meisten Osteopathen arbeiten von Montag bis Freitag zwischen 08:00 und 18:00 Uhr. Die durchschnittliche Dauer einer Konsultation beträgt 45 Minuten. Osteopathen behandeln pro Woche im Schnitt 36 Patienten, welche ~120 CHF pro Konsultation bezahlen und wovon 80% eine Form der Rückvergütung durch ihre Krankenkasse erhalten.
Das Durchschnittsalter eines erwachsenen osteopathischen Patienten betrug 45 Jahre. Kinder und Kleinkinder (unter 2 Jahren) machten 10% aller Patienten aus. Neun Prozent aller Patienten waren über 65. Patienten können mit rund 2 Konsultationen für ihre aktuelle Beschwerde rechnen. Muskuloskeletale Beschwerden waren der häufigste Grund (81%) für das Aufsuchen eines Osteopathen; diese waren meistens im Bereich der Wirbelsäule (66%). Die Patienten waren relativ gesund, 65% hatten keine Komorbiditäten und nur 16% berichteten von Absenzen von ihrer Arbeit oder Schule aufgrund ihrer Beschwerde. Die meisten Patienten (76%) waren Selbstüberweiser. 18% wurden von anderen Gesundheitsberufen überwiesen.
Die häufigsten Formen der Behandlung waren Weichteil- und artikuläre Techniken (75%). 42% der Behandlungen waren Thrust Techniken. Neben diesen wurden unter anderem noch Übungen mitgegeben (34.2%), beratend im Bereich von Lebensweise und psychologischer Unterstützung gewirkt (35.5%) und mit anderen ergänzenden Therapien behandelt (3.9%).
Das Einverständnis zur Untersuchung und Behandlung wurde eher stillschweigend (60%) als explizit (36-38%) eingeholt.
Schlussfolgerungen
Die Zahl der Konsultationen, welche die Schweizer Bevölkerung nutzt, zeigt, dass eine Nachfrage nach osteopathischer Versorgung vorhanden ist, und dass diese eine grössere Rolle in der primären Gesundheitsversorgung spielen könnte.
Über die Hälfte der Osteopathen arbeiten alleine. Das Einholen des Einverständnisses der Patienten und das Führen von Patientenakten bereiteten Probleme, welche auf die Wichtigkeit einer formalisierten Regelung und Berufspraxisstandards hinweisen könnte.
Weitere direkte Befragung von Patienten wird helfen, unser Verständnis der osteopathischen Versorgung und der Bedürfnisse der Patienten, die Osteopathen aufsuchen und ihre Leistungen beanspruchen, zu verstehen.
Schlüsselwörter
Osteopathische Medizin, Gesundheitsversorgungsbereitstellung, klinische Prüfung, Schweiz